Zu BGH Urteil vom 17.03.2009 AZ: VI ZR 166/08; Tierhalterhaftung § 833 BGB

Der Sachverhalt dieser höchstrichterlichen Entscheidung ist schnell erfasst:

Das Pferd der Pferdehalterin hat den beauftragten Tierarzt vor Zeugen beim rektalen Fiebermessen gegen den rechten Daumen getreten. Der behandelnde Tierarzt erlitt dadurch einen Trümmerbruch und verlangt Schadensersatz insbesondere für seinen Verdienstausfallschaden.

Die Klage des Tierarztes ist in der ersten Instanz abgewiesen worden und auch die Berufung war erfolglos. Die Revision hingegen war erfolgreich, das Berufungsurteil wurde aufgehoben, die Sache zurück verwiesen.

Zu Unrecht habe das OLG eine Haftung der Pferdehalterin gem. § 833 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr abgelehnt. Eine vollständige Haftungsfreistellung komme im Rahmen der Tierhalterhaftung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, sei eine Frage des Mitverschuldens gem. § 254 BGB und führe nicht zum Ausschluss der Tierhalterhaftung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB. Ein Ausschluss der Tierhalterhaftung komme regelmäßig nicht in Betracht, wenn sich jemand aus beruflichen Gründen in eine Situation drohender Eigengefährdung durch die
spezifische Tiergefahr begiebe, ohne die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen. Der Tierarzt, der ein Pferd im Auftrag des Tierhalters medizinisch versorge, setze sich der Tiergefahr aus triftigem Grund aus, er müsse sich ihr aussetzen, wenn er seinen ärztlichen Auftrag und den Vertrag mit dem Tierhalter erfüllen wolle.

Den Ausführungen des Landgerichts und des Berufungsgerichts, wonach ein Anspruch aus Gefährdungshaftung ausscheide, wenn jemand das typische Risiko seines Berufes übernehme,
folgte der BGH nicht. In den Fällen, in denen derjenige, der vertragsgemäße Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen habe, fehlerhaft oder besonders risikoerhöhend handele, sei eine Abwägung der verschiedenen Verursachungsbeiträge gem. § 254 BGB vorzunehmen. Bei einem groben Eigenverschulden des Geschädigten könne danach die Haftung des Tierhalters ganz zurücktreten.

Für ein die Haftung minderndes Verschulden des Geschädigten sei regelmäßig der Schädiger (Pferdehalter) Darlegungs- und Beweispflichtig. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast habe der Geschädigte konkret zu seinem Handeln vorzutragen. Da dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen sei, inwiefern die Parteien zu einem etwaigen Mitverschulden des Klägers (Tierarzt) vorgetragen haben, sei für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass der Kläger ordnungsgemäß gehandelt habe.

Anmerkung:

Diese Grundsätze gelten ebenso für Hufschmiede, die während des Beschlagens verletzt werden; nicht unbedingt für Bereiter, die ein Pferd eigenverantwortlich in Beritt haben (OLG Nürnberg, VersR 1999,240, 241 – eigenverantwortliche Ausbildung eines Pferdes durch einen Trainer).

Zu beachten ist bei der vorliegenden Entscheidung, dass der BGH hier zu der Frage eines möglichen Mitverschuldens des Tierarztes nichts sagen konnte, weil hierzu in den vorangegangenen Instanzen nicht hinreichend vorgetragen worden ist.