Entscheidung des OLG Düsseldorf zur Tierarzthaftung im Rahmen der Ankaufsuntersuchung

Überraschende Entscheidung des OLG Düsseldorf zur Tierarzthaftung beim Übersehen einer Erkrankung bei der Ankaufsuntersuchung
Zu OLG Düsseldorf Urteil vom 28.05.2009 8 U 84/08 (RdL 2010, 117-119)
Anmerkung: das OLG Düsseldorf hat hier u.a. über die grundsätzliche Frage der Sachwalterhaftung eines vom Käufer beauftragten Tierarztes entschieden. Die folgende Darstellung beschränkt sich auf diesen Aspekt, die auch im Urteil aufgeworfene Frage der Gesamtschuld zwischen Tierarzt und Verkäufer, so wie Fragen, die tierärztliche Auskunft betreffend werden hier nicht dargestellt.
Die Klägerin verkaufte im Juli 2004 für 9.500 € ein Reitpferd an eine Käuferin. Der Beklagte Tierarzt hatte im Vorfeld des Kaufs im Auftrag der Käuferin eine klinische und röntgenologische Untersuchung durchgeführt und dabei keine erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen festgestellt.
In einem Vorprozess mit der Käuferin als Klägerin vor dem Landgericht Essen war die jetzige Klägerin (Beklagte des Vorprozesses) im Mai 2006 zur Rücknahme des Pferdes und zur Rückzahlung des Kaufpreises so wie zur Zahlung von Aufwendungsersatz verurteilt worden. Aufgrund des tierärztlichen Sachverständigengutachtens im Vorprozess kam das Landgericht zu der Überzeugung, der Wallach litt schon zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs an einer alten Gleichbeinfraktur des linken Hinterbeines, die zu einer Lahmheit bei Belastung führt, was eine Verwendung als Reitpferd ausschließt.
Die beklagte Verkäuferin verkündete daraufhin dem Tierarzt der Ankaufsuntersuchung (Beklagter des Folgeprozesses) den Streit. Im Folgeprozess vor dem Landgericht Duisburg trug die Klägerin vor, sie habe den Wallach nicht verkauft, wenn sie von der Verletzung des Pferdes Kenntnis gehabt hätte. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Ankaufsuntersuchung des Beklagten habe sie sich überhaupt erst auf den Vorprozess eingelassen. Der Beklagte behauptete, die Klägerin habe die Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht infolge seiner Erklärungen verweigert, sondern weil ihr eigener Tierarzt ebenfalls einen einwandfreien Zustand des Wallachs festgestellt habe. Der Beklagte habe die Lahmheit nicht feststellen können, weil das Pferd im Zuge der Ankaufsuntersuchung infolge eines Hufgeschwüres nicht geritten werden konnte. Die Klägerin aber habe von der Lahmheit bei Belastung wissen müssen. Der Schaden der Klägerin sei nicht aufgrund seiner (fehlerhaften) Ankaufsuntersuchung entstanden.
Die Klägerin verlangte Schadensersatz in Höhe des Aufwendungsersatzes, den sie an die Käuferin zahlen musste. Der beklagte Tierarzt beantragte Klageabweisung. Das Landgericht Duisburg gab der Klage im Wesentlichen statt.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Die Berufung des Beklagten (Tierarzt) hat weit überwiegend Erfolg.
Hierzu sagt das OLG Düsseldorf:
Eine Sachwalterhaftung aus §§ 280 I, 311 III BGB setze voraus, dass der Vertreter oder Verhandlungsgehilfe unmittelbar oder mittelbar – durch eine für ihn handelnde Person – an den Vertragsverhandlungen teilgenommen, im besonderen Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Verhandlungen beeinflusst habe. Er müsse eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrages übernommen haben. Eine so definierte Sachwalterhaftung lehnt das OLG hier ab, die von der Käuferin beauftragte Untersuchung habe nur dazu dienen sollen, die Käufer über den Gesundheitszustand des Pferdes zu informieren. Dafür dass der Beklagte die Vertragsverhandlungen in irgendeiner Weise beeinflusst habe bestünden keinerlei Anhaltpunkte.
Der Beklagte hafte auch nicht nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Nach herrschender Rechtsprechung werde lediglich im Falle der Kaufuntersuchung, bei der der Auftrag zur Begutachtung vom Verkäufer erteilt werde, ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Käufers angenommen. Diese Unterscheidung wird vom OLG Düsseldorf damit begründet, dass in diesem Falle Verkäufer und Tierarzt davon ausgehen müssten, dass der Käufer das Ergebnis der Untersuchung zur Grundlage seiner Entscheidung machen werde. Dieses Gutachten diene auch für den Tierarzt erkennbar dazu, den Käufer vor einer verfehlten Vermögensdisposition zu schützen.
Hiervon sei die Ankaufsuntersuchung, bei der Auftraggeber der Käufer ist, zu unterscheiden, bei dieser Konstellation könne ein erkennbares Interesse des Auftraggebers an der Einbeziehung des Verkäufers in den Schutzbereich des Gutachtervertrages nicht angenommen werden.
Anmerkung: Das OLG Düsseldorf hält an der Unterscheidung bei der Tierarzthaftung im Rahmen der Ankaufs-/ Kaufuntersuchung fest. Als Sachwalter soll der Tierarzt danach nur haften, wenn er vom Verkäufer beauftragt wird, nur dann soll eine Haftung nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bestehen.
Diese Rechtsprechung muss im Auge behalten werden, weil sie eine erhebliche Erleichterung für die Haftung des Tierarztes für ein Gutachten im Rahmen der Kaufuntersuchung darstellt. Die Unterscheidung des OLG – der Tierarzt haftet, wenn er vom Verkäufer beauftragt wird, weil später Käufer das Gutachten ihrer Kaufentscheidung zugrundelegen und er haftet nicht als Auftragnehmer des Käufers gegenüber dem Verkäufer, weil dieser nicht in den Schutzbereich des Gutachtervertrages einbezogen ist – ist im Rahmen des § 311 III BGB nicht selbstverständlich.